Beitrag von Reiner Jost, MdL a.D. – „70 Jahre FDP Lebach – Versuch einer Würdigung“ anlässlich des Sommer- und Jubiläumsfestes des FDP-Ortsverbandes Lebach-Mitte am 31. August 2024
Herr Ortsvorsitzender, lieber Eric,
Herr Fraktionsvorsitzender, lieber Fred,
verehrte Gäste, Herr Statssekretär, lieber Olli, und
Herr Generalsekretär Djir Sarai,
liebe Parteifreunde, meine Damen und Herren!
Als unser Freund Eric mir kürzlich bei der Hauptversammlung des Ortsverbandes die Ansprache zum 70. Geburtstag der Lebacher FDP auf’s Auge gedrückt hat, war mir noch nicht bewusst, dass dieses Thema einige Unebenheiten beinhaltet, die es erst zu glätten galt, damit sie ein stimmiges Ganzes ergeben konnten.
Aber: keine Angst, ich will versuchen, das Knäuel zu entwirren und zugleich Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen.
Die nachfolgende Darstellung ist deshalb stark gestrafft und muss auf manche Einzelheit verzichten.
Dennoch ist es unerlässlich, einige Personen namentlich zu nennen, die den Jüngeren unter uns vielleicht wenig oder gar nichts mehr sagen. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis.
Die FDP an der Saar ist aus der DPS entstanden. Diese Abkürzung steht für Demokratische Partei Saar. Das war hierzulande nach dem 1. Weltkrieg eine bürgerlich-liberale Partei in der Größenordnung der heutigen Bundes-FDP, die sich in der Zeit der Weimarer Republik an der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei orientierte, der auch Friedrich Naumann und Theodor Heuss angehörten.
Das ”Saargebiet”, wie es damals hieß, stand gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles zwischen 1920 und 1935 unter der Verwaltung einer vom Völkerbund eingesetzten Regierungskommission.
Nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 kam es dann wieder zu Deutschland, weil sich 90,7 Prozent der Saar-Bevölkerung so entschieden hatten.
Zu diesem Zeitpunkt war im ”Reich” schon seit zwei Jahren ein gewisser Hitler an der Macht. Natürlich ließ er nichts unversucht, um das Ergebnis für sich zu reklamieren und als Pro-Nazi-Entscheidung umzudeuten.
Dabei wollten die Menschen an der Saar einfach nur wieder zu Deutschland gehören, weil es ihre Heimat war.
Als eine der Siegermächte hatte sich Frankreich ausbedungen, zusätzlich zu den horrenden Kriegsentschädigungen auch die Steinkohlegruben an der Saar auszubeuten.
Die damalige Landesregierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann – im Volkmund ”JoHo” genannt – war lediglich eine Marionettentruppe unter der Regie des französischen Militärgouverneurs Gilbert Grandval als Puppenspieler.
Sie stützte sich im 50 Abgeordnete umfassenden Landtag auf eine Koalition aus Christlicher Volkspartei (CVP, 28 Sitze) und der ebenfalls frankophilen Sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS, 17 Sitze).
Die DPS und die Kommunistische Partei mit jeweils drei Abgeordneten bildeten die parlamentarische Opposition.
Die im Versailler Vertrag nach 15 Jahren vorgesehene Volksabstimmung über die Frage, ob das Saargebiet bei Frankreich verbleiben oder wieder ”heim in’s Reich” kommen sollte, war unerwartet deutlich ausgefallen.
Die Enttäuschung auf französischer Seite war groß, doch nach dem 2. Weltkrieg ergab sich für Frankreich erneut die Gelegenheit, das Land an der Saar an sich zu binden.
Schon früh regte sich hiergegen politischer Widerstand.
Weil prodeutsche Parteien seinerzeit nicht an allgemeinen Wahlen teilnehmen durften, organisierten sich mehr und mehr nationalkonservativ und nationalliberal gesinnte Kräfte in der DPS, die als unverdächtig galt.
In ihr gewannen schon bald drei Persönlichkeiten maßgeblichen Einfluss: Heinrich Schneider, Senator Richard Becker und Paul Simonis, alle ehemals Mitglied der NSDAP.
Daraufhin wurde die DPS im Mai 1951 vom saarländischen Innenminister Edgar Hector (CVP) im Einvernehmen mit der französischen Militärregierung verboten.
1952 kam es zur Gründung der ebenfalls prodeutschen CDU Saar und der Deutschen Sozialdemokratischen Partei (DSP), die sich im Abstimmungskampf 1955 mit der DPS zum sog. ”Heimatbund” zusammenschlossen.
1954 war zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und dem sozialistischen französischen Premierminister Pierre Mendès France im Rahmen der Pariser Verträge vereinbart worden, für die Saar einen europäischen Status mit wirtschaftlichem Anschluss an Frankreich vorzusehen.
Die hierüber festgelegte Volksabstimmung fand am 23. Oktober 1955 statt, dem Jahrestag der Pariser Verträge.
Weil dazu Meinungs- und Versammlungsfreiheit unerlässlich waren, musste die DPS wenige Monate vor der Abstimmung notgedrungen wieder zugelassen werden.
Nach einem leidenschaftlich geführten Wahlkampf war die Wahlbeteiligung mit 96,6 Prozent erwartungsgemäß hoch.
Entscheidend aber war, dass eine qualifizierte Mehrheit von 67,7 Prozent das Europäische Saarstatut ablehnte und damit auch den deutschen Bundeskanzler brüskierte, der sich für dessen Annahme stark gemacht hatte.
Ein solches Ergebnis war im Saarvertrag nicht vorgesehen, weil der französische Geheimdienst diese Möglichkeit nicht einmal theoretisch in Erwägung gezogen hatte.
Um keinen internationalen Gesichtsverlust zu riskieren, respektierte Frankreich dennoch im Saarvertrag vom Oktober 1956 diese Entscheidung.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1957 trat das Saarland dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bei und wurde somit zum jüngsten der alten Bundesländer.
Die wirtschaftliche Eingliederung und die Einführung der D-Mark folgten 1959.
Um eine für die Wahl am 23. Oktober 1955 erforderliche parteipolitische Infrastruktur zu schaffen, war ein Mindestmaß an organisatorischer Vorbereitung unerlässlich.
Die Schwierigkeit bestand darin, dass dies möglichst von der Geheimpolizei unbemerkt geschehen musste, sonst wäre die Gefahr von Verhaftungen zu groß gewesen.
Das erklärt, weshalb wir nicht über schriftliche Dokumente über die lokale Situation aus dieser Zeit verfügen.
Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die informelle Gründung eines Ortsverbandes der DPS in Lebach in dieser Zeit erfolgt ist.
Führender politische Agitator an der Saar war der Jurist Dr. Heinrich Schneider, den ich noch als Junge von damals zwölf Jahren als wortgewaltigen Redner auf Massenkundgebungen vor der ersten Landtagswahl erlebt habe.
Seine Ausführungen endeten stets mit dem Hinweis, es komme nicht darauf an, ob man CDU, DSP oder DPS wähle.
Entscheidend sei, dass die Stimme einer dieser drei Heimatbundparteien zugute komme.
Bei der ersten Landtagswahl am 18. Dezember 1955 wurde die DPS mit 24,2 Prozent der Wählerstimmen unmittelbar nach der CDU (25,4%) landesweit zweitstärkste Partei. Die sozialdemokratische DSP kam mit 14,3% auf Platz vier.
Die früheren Regierungsparteien stürzten regelrecht ab: die CVP verlor 32,9% und landete mit 21,8% auf Platz drei, die SPS verlor 26,8% und kam mit 5,8% auf den 6. Platz.
Die ersten Kommunalwahlen im Saarland fanden 1956 statt.
Hierbei erzielte die DPS landesweit 24,2% der Stimmen, wobei der Landkreis Saarbrücken (heute Regionalverband) mit 29,5% am besten abschnitt.
In Lebach erzielte die DPS 20,8 Prozent der Stimmen und gewann fünf von 23 Sitzen im damaligen Gemeinderat. Bei der Kommunalwahl im Mai 1960 waren es dann drei und bei der Wiederholungswahl im Dezember 1960 noch zwei Sitze.
Tiefpunkt war das Kommunalwahlergebnis von 1964, als es gerade noch für einen Sitz reichte.
Der Inhaber dieses letzten verbliebenen Mandats war Emil Groß, den Heinrich Schneider in seinem Buch ”Das Wunder an der Saar” als einziges Lebacher DPS-Mitglied namentlich erwähnt.
Wenn ein Totalausfall bei der nächsten Kommunalwahl abgewendet werden sollte, musste etwas geschehen.
Nach meiner Wahl zum Ortsvorsitzenden (1968) war ich deshalb bestrebt, die Organisation der Partei zu straffen, ihr ein klares liberales Profil zu geben und der Auswahl künftiger Kandidaten besondere Bedeutung beizumessen.
Die Mitgliederliste aus der DPS-Zeit umfasste zwar nominell mehr als 50 Personen, von denen die meisten aber keinen Beitrag zahlten und sich auch nicht anderweitig einbrachten.
Nach einer konsequenten Karteibereinigung blieben zunächst noch elf Personen übrig, um einen Neuanfang vorzunehmen. Davon sind unser Freund Günter Werner und ich die verbliebenen ”letzten Mohikaner”.
Wir waren auch die ersten im Land, die im Parteinamen auf den Zusatz ”DPS” verzichteten, obwohl der Protest in der Landespartei anfangs groß war.
Um die Finanzsituation zu verbessern, wurde die Beitragszahlung auf Bankeinzug umgestellt und umgehend mit regelmäßigen Mitglieder-Werbeaktionen begonnen.
Der Erfolg hat uns recht gegeben: Schon bei der Kommunalwahl im Oktober 1968 konnten wir unser Ergebnis mit 11,4 Prozent mehr als verdoppeln und einen Sitz im Rat hinzugewinnen.
Ich will Ihre Zeit nicht mit der weiteren Wählerentwicklung in Anspruch nehmen. Es ist jedenfalls von Wahl zu Wahl tendenziell besser geworden.
Eine besondere Herausfoderung war für uns die Gebiets- und Verwaltungsreform, die an CDU-Interessen ausgerichtet war und nach heftigen Auseinandersetzungen zum 1. Januar 1974 in Kraft trat.
Der frühere Amtsbezirk Lebach mit seinen sieben zugehörigen Gemeinden wurde auf elf Stadtteile erweitert, wobei unsere heutige Hochburg Gresaubach, das zuvor zum Amt Schmelz gehört hatte, gegen seinen Willen zu Lebach kam.
Auch die ehemals zum Amt Eppelborn gehörigen Gemeinden Aschbach, Thalexweiler, Steinbach und Dörsdorf wurden Lebach zugeschlagen. So sollte die CDU-Dominanz auf Dauer gewährleistet bleiben.
Unser Problem war, dass wir zuvor nur in der heutigen Innenstadt im Rat vertreten waren, die Bevölkerungszahl nun jedoch um fast die Hälfte auf rd. 20.000 Einwohner anwuchs.
Damit standen wir vor der nicht geringen Aufgabe, Kandidaten aus den neuen Stadtteilen für die anstehende Kommunalwahl zu gewinnen und neue Ortsverbände zu gründen.
Um es kurz zu machen: Es ist uns gelungen.
Stellvertretend und posthum nenne ich hier die damaligen Einzelkämpfer Alois Momper aus Gresaubach und Heinz Spang aus Dörsdorf.
Bei der Kommunalwahl 1974 blieben wir im Zentrum zweistellig und erzielten trotz der vormals weißen Flecken im Umland auf Stadtebene 6,8 Prozent und zwei Sitze im auf 33 Mandate vergrößerten Stadtrat.
Unsere Mitgliederzahlen stiegen kontinuierlich, bis wir 1984 die Hundertergrenze erreichten und gegen Ende meiner Amtszeit zu Beginn des Jahres 2000 auf 150 kamen.
1984 konnte der Ortsverband Gresaubach mit auf Anhieb 32 Mitgliedern gegründet werden sowie im Jahr danach unter tatkräftiger Mithilfe unseres Freundes Leo Schirra der Ortsverband Theeltal, der die Stadtteile Aschbach, Thalexweiler, Steinbach und Dörsdorf umfasste. Später kamen noch Falscheid und Eidenborn hinzu.
Als weiteres besonderes Highlight möchte ich das jüngste Kommunalwahlergebnis hervorheben, bei dem die Partei auf Ebene der Gesamtstadt geradezu sensationelle 17,7 Prozent erreicht hat und im neuen Stadtrat über sechs Sitze verfügt.
Ein ebenso wichtiger Wahlerfolg ist auch im zweitgrößten Stadtteil Gresaubach gelungen durch die mittlerweile mehrfache Wiederwahl unseres Freundes Fred Metschberger zum Ortsvorsteher aufgrund seiner absoluten Mehrheit im Ortsrat – auch das ein Alleinstellungsmerkmal.
Fred ist damit nicht nur der einzige FDP-Ortsvorsteher im Saarland, auch seine erfolgreiche Arbeit als Fraktionsvorsitzender im Stadtrat und als Beigeordneter der Stadt Lebach soll hier nicht unerwähnt bleiben.
Ich möchte aber auch ausdrücklich anerkennen, dass Du, lieber Olli, als Staatssekretär durch Deine Vermittlung des namhaften Bundeszuschusses zu den Restaurierungkosten der katholischen Pfarrkirche in der Innenstadt ebenfalls einen wichtigen Anteil an diesem Wahlerfolg hast.
All das belegt, dass es durch sachbezogene inhaltliche Arbeit überzeugend gelingen kann, das Image der FDP, die in aller Regel nahezu ausschließlich als Bundespartei wahrgenommen wird, auch als kompetente Kommunalpartei zu verankern und damit zugleich die Wahlergebnisse bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen positiv zu beeinflussen.
In diesem Sinne wünsche ich den Lebacher Liberalen, denen ich 32 Jahre als Orts- bzw. Stadtverbands- und Fraktionsvorsitzender dienen durfte, dass sie auch künftig ebenso engagiert und erfolgreich kommunalpolitisch tätig sind; im Interesse der Menschen, die hier leben, und zur Stärkung liberaler Politik in unserer Region!